Dienstag, 3. Dezember 2013

Wieso starte ich mit dem Schreiben eines Blogs?

Der Alltag mit meinem Sohn stellt mich immer wieder vor neue Herausforderungen. Oft gilt es nicht nur, das Richtige für ihn zu tun, sondern auch einen Weg für mich zu finden. Wir müssen beide funktionieren, obwohl es mir manchmal scheint, wir kommen von zwei verschiedenen Planeten. In manchen Situationen kann ich stimmige Lösungen aus dem Ärmel schütteln, in anderen muss ich wirklich meine gut sortierten Hirnzellen beanspruchen, um uns aus einer Krisensituation heraus zu manövrieren. 

Ich schreibe bewusst "Hirnzellen", denn mit spontan-emotionalen Reaktionen stosse ich grundsätzlich auf Granit und erreiche - ausser einer Verschlimmerung der Situation - gar nichts. Zum Glück bin ich von Natur aus ein überlegter und ruhiger Mensch, so dass es meinem Naturell ganz entgegen kommt, auf schwierige Situationen mit ruhiger Überlegtheit zu reagieren. 

Und um Situationen zu reflektieren oder neue Ideen zu entwickeln hilft es mir, darüber zu reden oder schreiben. Oft finde ich in meinen eigenen Beschreibungen Hinweise, die mir helfen, meinen Sohn noch besser zu verstehen und Wege zu finden, wie wir seine und meine Sichtweisen auf einen gemeinsamen Nenner bringen können. Das ist der Hauptgrund, weshalb ich meine Gedanken wieder vermehrt aufschreibe. 

So viel Theorie schreit ja nun fast nach einem Beispiel .... nun, da waren wir kürzlich in einen Konflikt verwickelt. Mein Sohn steckte wieder einmal in einer Krise. Irgend ein Faktor hat ihn zum Konzept raus gebracht und ihn vermutlich mit einem Gefühlszustand konfrontiert, mit dem er nicht klar gekommen ist. Er manövriert sich dann mit unlogischer Argumentation immer weiter ins Abseits und nimmt meine Angebote nicht an, ihm da wieder hinaus zu helfen. Beruhigen, zurechtweisen, argumentieren, ignorieren, zwingen, Hilfe anbieten, Empathie ... ich hab in den Jahren schon vieles ausprobiert, aber nützen tut es wenig. Inzwischen weiss ich, dass mit Ruhe und Geduld das meiste erreicht werden kann. An diesem Tag habe ich meinem Jungen gesagt, ich wisse nicht, wie ich ihn aus seiner depressiv anmutenden Gefühlslage wieder herausholen könne. Ob er für mich eine Idee hätte. Er antwortet, ich würde eh über ihn bestimmen. Ich versuchte zu erklären, dass ich mit ihm gemeinsam eine Lösung finden möchte. Er wiederholt sich - noch mehrere Male. "Mami, du bestimmst über mich, ich bin ferngesteuert." Langsam dämmert mir ein Gedanke. Ich versuche, seine Worte wörtlich zu nehmen. Vorsichtig starte ich, ihm eine Anweisung nach der anderen zu geben. "Ins Wohnzimmer - Socken aufheben - aufs Sofa sitzen - rechter Socke zeigen - rechter Socke anziehen ...." Und oh Wunder ... nach einer fast einstündigen Krisensituation, in der er immer wieder um mich herumgekreist ist, mit seinem Mund unlogisch und unfreundlich argumentiert und mit seinen Augen nach Hilfe gerufen hat, ist plötzlich Ruhe eingekehrt. 10 Minuten später war er angezogen und ich hatte Gelegenheit, noch meine Kleine bereit zu machen und so verliessen wir - 1.5 Stunden später als geplant - unsere Wohnung und hatten einen harmonischen Restnachmittag im Freien.

Einige Tage später hat mein Sohn mit mir über die letzte Krise gesprochen. Er kann ungeheuerlich schön und präzise formulieren, wie er sich fühlt: "Ich bin wie in einem Gefängnis. Mein Mund sagt Dinge, die ich nicht will. Aber ich weiss nicht, wie ich es abstellen kann." Er hat sich auch darüber gefreut, dass er selbst schlussendlich eine Lösung gefunden hatte. Und dass wir die "Krise" in der Wohnung gelassen haben, als wir uns auf den Weg zum Spielplatz gemacht hatten.

Im Nachhinein habe ich mir einige Notizen dazu gemacht und erst während des Schreibens konnte ich richtig verstehen, was in der Situation abgegangen ist. Das Analysieren hilft mir - denn ich mache ungern die gleichen Fehler mehrmals, wiederhole aber nur allzugern Dinge, die funktioniert haben.

Ich möchte also festhalten, was ich hier schreibe hat nicht den Anspruch auf eine allgemeingültige Wahrheit. Es sind einfach Erfahrungen und die entsprechenden Gedanken. Wenn es jemand lesen möchte, der einen Nutzen darin findet - so ist das ab nun auch möglich.

Dieser Junge ist der aussergewöhnlichste Mensch, dem ich je begegnet bin. Er ist fein und liebevoll und er war es, der mich gelehrt hat, das Leben mit all seinen Facetten besser zu verstehen. Dafür bin ich dankbar.



1 Kommentar:

  1. Nur ein Wort: Strukturierung. Die ist wichtig, extrem wichtig. Und wenn Gefühlschaos herscht, möglichst kleine Einzelschritte, weil sonst (zumindest gedanklich) der dritte Schritt begonnen wird, bevor der erste tatsächlich ausgeführt wurde. Insofern hast du da eigentlich schon alles so weit richtig gemacht, als du ihn nicht sagtest, dass er sich anziehen soll, sondern ihm erst mal zu seinen Klamotten manövriert und ihm dann Einzelschritte gabst, die er dann strukturiert, nach und nach abarbeiten konnte, ohne selbst daran zu denken, was danach kommt oder kommen soll. Gute Mutti. :o) Und nettes Blog, habe, wie du an den Kommentarenm feststellen kannst, alle bisherigen Beiträge blitzschnell durchgelesen, war mir eine Freude. Bitte weiter schreiben. :o)

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