Donnerstag, 16. Januar 2014

Der abendliche Wahnsinn ist ausgebrochen.

Wir sind spät dran heute. Bald schon 19 Uhr und wir sind eben erst in die Garage gefahren, direkt von der Kita. Der Grosse, die Kleine und ich.

Der Grosse folgt den immergleichen Regeln. Schlüssel übernehmen, Tasche umhängen und dann die Treppen des Wohnblocks hochsteigen um oben die Türe zu öffnen.

Mit der Kleinen argumentiere ich noch im Treppenhaus, wie viele Stufen sie alleine hochgehen muss. Sie ist also schon zünftig verstimmt als wir oben ankommen.

"Ich will Schokolade" ist die nächste fixe Idee.

Ich bin am Verräumen der Jacken und Schuhe und gleichzeitig am Einschalten des Herdes.

"Nein, keine Schokolade, es gibt gleich Essen."
Wasser aufkochen, Salat aus dem Kühlschrank.

"Aber ich wiiiiilllll jetzt Schokolade"
"Nein jetzt nicht. Du kannst ein Stück Apfel haben."

Frühstücksschüsseln noch in Spühlmaschine. Nuggets in die Pfanne.
"Neeeeiiiinnn, ich hab jetzt Hunger, will Schokolade."

Teigwaren ins kochende Wasser. Getränke vorbereiten und ein kritischer Blick zum Grossen, der schon brenzlig stark genervt ist vom Geschrei der Schwester. 

"Willst du schon mal was trinken?"
"Schoooookkkooooolaaaaade ..." gleich passierts.

Jetzt – die Sirene heult in vollster Lautstärke los. Das Geschrei erhitzt jede Zelle in mir und meine Vorahnung lässt nicht lange auf sich warten.

Jetzt platzt – wie so oft in solchen Situationen – auch der Geduldsfaden meines Sohnes. Der kann überhaupt nicht umgehen mit dieser lauten Form der Reizüberflutung. Und seit Wochen kann er nicht anders, als mit noch lauterem Geschrei darauf zu reagieren. 

Der Kleinen gibt die (in ihren Augen) furchtbare Provokation noch den Rest und sie schmeisst sich wütend, tobend auf den Boden. Der Grosse weiss nicht wie ihm geschieht und kreischt einfach durch die Gegend.

Ich dazwischen und einmal mehr völlig überfordert. Schreien und schimpfen macht alles nur noch schlimmer. Und stürzt den Grossen zudem in eine seiner heftigen Krisen, die dann mindestens noch eine Stunde andauern. Den Grossen kann ich nicht runterholen während die Kleine weiterschreit und die Kleine hört nicht auf, wenn der Grosse weiter provoziert. Zum Trösten sind beide zu müde und zu hungrig. Und mich kurz zu Regenerationszwecken in eine andere Zeitzone versetzen zu lassen wäre schön, aber leider wenig realistisch. Also stehe ich mal weiter da und konzentriere mich darauf, nicht auszuflippen. Schwierig, schwierig. Atmen! Ruhig atmen.

Der böse Gedanken streift mein Bewusstsein: Jedem ein Stück Schokolade in die Finger und gut ist. Ich kann der Versuchung nur knapp widerstehen.

Minuten später rette ich mich selber. Ich beobachte die Kleine, der langsam die Schrei-Reserven ausgehen. Im goldrichtigen Moment biete ich ihr den Nuggi an und lenke sie mit einer Bagatelle von ihrem Wutanfall ab. Sie lenkt gottseidank ein und bleibt still, was den Grossen schlagartig zum Schweigen bringt.

Uff. Dieser Wahnsinn ist eine echte Herausforderung für mich. Ich weiss, Kinder im Trotzalter schreien nun mal hin und wieder. Und Aspergern platzt fast der Kopf bei so viel Lärm und sie suchen sich Strategien, die dann nicht so leicht wieder auszuschalten sind. Mein Sohn zumindest ist über den Verstand dann nicht erreichbar. Aber denkt denn auch mal jemand an die Mutter mittendrin? Ich bräuchte mindestens jede Woche einen Urlaubstag um stets genügend Energie-Reserven für solche Abende bereit zu haben. Aber woher nehmen wenn nicht stehlen?

Ich suche weiter nach einem bewährten Allerweltsrezept für solche Situationen. 
Und Hunger hab ich immer noch. Nuggets mit abgekratzter Kohlenkruste und Teigwaren à la Pampa sind einfach nicht mein Ding!

Morgen läufts dann (hoffentlich) wieder besser ...

3 Kommentare:

  1. Ich weiß nicht, wie alt deine Kleine ist, und inwiefern das eine Option wäre, nur als Idee: Schnapp Dir deine Kleine und geh auf den Balkon, aufs Klo, irgend wo hin, wo ihr beide alleine sein könnt, wo der Große dann in dem Moment nicht hin kann, und macht die Tür hinter euch zu. Das dämpft ihr Schreien etwas, und vielleicht hinreichend, damit dein Größer seinerseits dann die Möglichkeit hat, runter zu kommen. Klar, durch sein Schreien will er das vermutlich ziemlich schrille Schreien der kleinen Schwester übertönen, und eigenes Schreien hört sich auch nicht so laut an - und das wichtigste - man kann es selbst steuern, weil man es bewusst anwendet.
    Sofern dein Großer also mal ein paar Minuten alleine sein kann (soll er halt währenddessen gegen die geschlossene Tür hämmern) - versuch, die beiden Schreihälste voneinander zu isolieren - und das dürfte mit deiner Kleineren leichter funktionieren. Das die sich gegenseitig hochschaukeln, muss ja nicht sein... Wie gesagt, keine Ahnung, inwiefern das für dich individuell durchführbar ist - aber halt meine erste Idee..

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  2. Liebe Elly!
    Du schreibts mir aus dem Herzen! Danke, dass du ein so heikles, nervenaufreibendes Thema mit so viel Humor zum Besten gibst!!
    Hast du aufgehört zu schreiben? Fänd ich echt schade..
    Habe übrigens 2 Jungs im Alter von 3 und 5 Jahren. Der Grosse hat AS und ist auch ein absolut entzückendes, verblüffendes aber eben so extrem schwieriges und forderndes Wesen:-)

    Wenn du magst können wie uns gerne mal austauschen:

    nadine.stadelmann@gmx.ch

    Ich hoffe du behälst deine Leichtigkeit mit welcher du das Thema angehst!

    Herzliche Grüsse

    Nadine

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  3. Wir haben die gleiche Konstellation, nur jünger. Mein Sohn ist jetzt 4 und?meine Tochter 1, 5. Für genau diese Situationen - es tut so gut zu lesen, dass ich damit nicht alleine bin - habe ich seit geraumer Zeit Kopfhörer im Einsatz und wir fahren sehr gut damit. Sobald ein Kind schreit (denn da bringt ihn nicht nur seine Schwester aus dem Konzept) oder weint, bekommt mein Sohn sie aufgesetzt und damit habe ich sehr viel gewonnen. Jedenfalls, wenn ich rechtzeitig reagieren kann. Vielleicht eine Idee? ! LG

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