Samstag, 22. August 2015

Mutter mit Frust


Normalerweise bin ich ziemlich ausgeglichen und als ruhiger Pol im Familiengefüge bekannt. Mein Sohn (9) schätzt das. Aber lernt er so überhaupt, wie man mit zickigen, frustrierten oder ungeduldigen Menschen umgeht?

Kürzlich hab ich ihm ungewollt die Chance geboten, sich zu beweisen. Denn während andere bei der Steuererklärung, bei arroganten Mitmenschen oder unter starkem Druck zu Frust neigen, passiert mir das beim Backen. Das kann ich nicht. Das mag ich nicht. Dem geh ich aus dem Weg. Letztens ging es aber nicht anders. Ich war zu einem Dessertabend verabredet mit den Regeln, jede bringt ein Dessert. Ich dachte, ich schaffe das.

Aber wenige Minuten bevor ich das Haus verlassen musste war das – notabene im Internet unter "simpel" gekennzeichnete – Schokoladen-Dessert noch immer nicht fertig. Es sah scheußlich aus und ich versuchte zu retten, was zu retten ist. Leider mit überhasteten und wenig durchdachten Maßnahmen. Es endete im Desaster. Das unglücklich formulierte "ich hab s ja gleich gesagt" von meinem Mann gab mir den Rest und ich schnauzte völlig atypisch frustriert und genervt durch den Raum. Mein Sohn beobachtet das. 

Ich denke kurz an ihn. Schätze kurz das Risiko eines Overloads ab, sehe keine Gefahr und kümmere mich nicht weiter um sein Befinden. Ganz im Gegensatz zu ihm! Er steht auf und bewegt sich unmittelbar auf den brodelnden Krisenherd (mich) zu. Das verwundert mich. Und dann legt er tatsächlich seine Hand ganz fürsorglich auf meine Schultern und entscheidet sich, während er mir aufmunternd ins Gesicht schaut, für einen gut durchdachten Ratschlag:

"Du musst dir jetzt einfach eine dicke Haut zulegen. Im schlimmsten Fall wählst du eine Notlüge. Du könntest sagen, ich hätte das verschuldet. Das hast du doch auch schon einmal für mich gemacht." seine Hand liegt immer noch auf meiner Schulter.

Ich staune. Das Dessert bleibt zwar ein Desaster, nicht aber meine Stimmung. Die lockert sich deutlich. Mit der dicken Haut hat er Recht. Und ganz offensichtlich wendet er das, was ich ihm vorlebe und erkläre, sehr gekonnt an, wenn es darauf an kommt.

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